Vom Schulstreik zum Aufstand - der ungelöste Konflikt in Oaxaca/Mexiko

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Vom Schulstreik zum Aufstand - der ungelöste Konflikt in Oaxaca/Mexiko
Eine Veranstaltung mit Erangelio Mendoza, Lehrer, vormaliger Generalsekretär der LehrerInnengewerkschaft von Oaxaca und ehemaliger politischer Gefangener

Hintergründe zur Veranstaltung:

Erangelio Mendoza González ist Gründungsmitglied der Seccion XXII der SNTE, der er 1992-95 als Generalsekretär vorstand. Er wurde im Zuge des Aufstandes gegen Ulises Ruiz am 11. August 2006 verhaftet und Ende Oktober 06 auf Druck der Gewerkschaft wieder freigelassen.
Erangelio stammt aus Santa María Jalapa del Marqués, wo er momentan das Amt des Bürgermeisters des ayuntamiento popular innehat. In Jalapa del Marqués, Region Istmo, findet ein wenig beachteter, aber wichtiger Kampf gegen die Erhöhung des Staudammes Benito Juarez statt, ein Projekt im Rahmen des PPP (Plan Puebla Panama). Es gelang der Bevölkerung mit ihrem Widerstand, die Bauarbeiten momentan stillzulegen. Erangelio hat also als Gewerkschaftler, aber auch in Sachen Autonomie und Widerstand gegen den PPP einiges zu erzählen.

Hintergrundinfos zu Oaxaca:

Rebellion und Repression

Den Anfang machten 60 000 streiken­de LehrerInnen, die im Mai 2006 für ihre Forderungen nach mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen ein Protestcamp in der Innenstadt von Oaxaca aufschlugen. Doch statt zu verhandeln, schickt der Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz von der Partei der Institutionellen Revolution (PRI) die Polizei. Der brachiale Räumungsversuch setzt eine unerwartete Solidarität frei. Die Uniformierten werden zurückgedrängt, ein Slogan breitet sich wie ein Lauffeuer aus: «Weg mit Ulises Ruiz!» Schon am nächsten Tag gibt es die erste «megamarcha» mit 50 000 TeilnehmerInnen, die Zahlen steigen von Woche zu Woche. Bis zu einer Million sollen demonstriert haben, und das in einem Bundesstaat, in dem nur dreieinhalb Millionen Menschen leben.

Am 14. Juni 2006 schliessen sich die Gruppen zusammen zur «Volksversammlung der Völker Oaxacas» (Appo). Monatelang wird das Stadtzentrum ­danach in Beschlag genommen, Radio- und Fernsehstationen besetzt, alle wichtigen öffentlichen Gebäude belagert. Die Regierung des Bundesstaates muss in Hotels ausweichen.

Im Juli 2006 verliert die PRI haushoch bei den Parlamentswahlen. Die Polizei geht immer brutaler gegen die Protestierenden vor. Bewaffnete Zivilis­tinnen oder Polizisten in Zivil beginnen auf Demonstranten und Sympathi­santinnen zu schiessen. Am 27. Oktober werden vier Menschen getötet, darunter der US-Reporter Brad Will, der für das alternative Nachrichtenportal Indymedia filmte und berichtete. Zwei der auf seinem Video identifizierten Schützen werden festgenommen, später aber wegen «Mangels an Beweisen» wieder freigelassen.

Zwei Tage später schickt der mexikanische Innenminister 4000 seiner PolizistInnen nach Oaxaca, um die «öffentliche Ordnung» wieder herzustellen. Nach einer weiteren Megamarcha am 25. November 2006 kommt es zu den bislang schlimmsten Zusammenstössen. Mehr als 100 Menschen werden verletzt und 149 verhaftet; mindestens 13 von ihnen werden laut dem im Juli 2007 veröffentlichten Oaxaca-Bericht von Amnesty International nachweislich gefoltert. Die Regierung registriert offiziell 18 Tote, inoffizielle Quellen sprechen von 27.

Ende November ist fast der gesamte SprecherInnenrat der Appo entweder verhaftet oder untergetaucht, die Bewegung muss sich neu organisieren. Doch auch in den folgenden Monaten wird weiter demonstriert, es kommt erneut zu Zusammenstössen. Zuletzt sind Mitte Juli 2007 bei einer Demonstration drei Männer von Polizisten krankenhausreif geschlagen worden. Einer von ihnen lag wochenlang im Koma und ist seither gelähmt. WOZ vom 06.09.2007